Ein spektakuläres Verbrechen im österreichischen Amstetten fasziniert die Medien. Ein Mann hat seine Tochter jahrzehntelang in einem Keller eingesperrt und dort mit ihr mehrere Kinder gezeugt. Wochenlang sorgt der Fall für Schlagzeilen, immer neue Details werden enthüllt, man interviewt "Experten" wie das Entführungsopfer Natascha Kampusch, Bilder des Täters und ein Computermodell des Kerkers sorgen für noch mehr gruselige Anschaulichkeit. Nicht nur die Boulevardpresse berauscht sich an der Widerlichkeit der Untat, denn auch kein noch so seriöses Nachrichtenmedium kommt um den Fall herum. Da versucht so mancher Journalist, dem ausufernden Voyeurismus ein Feigenblatt aus angeblicher gesellschaftlicher Relevanz vorzuhängen. Doch jeder Verkehrsunfall wäre gesellschaftlich relevanter als das Amstettener Verbrechen, denn Verkehrsunfälle geschehen häufiger und fordern mehr Opfer, und über die Natur des Menschen könnte man genauso viel aus jedem Stephen-King-Thriller lernen.
Wozu also müssen wir eigentlich so genau über diesen Fall bescheid wissen? Aus Sicht der Medien ist diese Frage falsch gestellt: Die Leute wollen es wissen, also wird darüber berichtet. Journalisten nennen das "öffentliches Interesse". Dagegen ist wenig einzuwenden, jedenfalls solange man Journalismus nicht für etwas ethisch Hochstehendes und Wichtiges hält, sondern darin auch nur eine andere Form der Unterhaltung sieht.
Medienkritik:
Verteidigung:
»Abgründe, Abgründe!«Herr F. und seine Tochter bei einem Spaziergang über die Amstettener Boulevards. |