Ein Stück Knete auf seinem Weg durch die Nachrichtenflut
Sonntag, 1. Juni 2008, 03:49
Medienknete - Pressefreiheit

Die Ritter der Pressefreiheit

Ende Mai 2008 ist die "Telekom-Spitzelaffäre" tagelang das Top-Thema in den Nachrichten. Dabei liegt der letzte Abhörskandal gerade erst einen Monat zurück: Seit April wissen wir, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) im Jahr 2006 die E-Mail-Korrespondenz eines afghanischen Politikers mitgelesen hat. In beiden Fällen sind Journalisten unter den Abgehörten - und vermutlich ist gerade dies der Umstand, der die Fälle erst zum Skandal werden lässt. Denn wer die Pressefreiheit bedroht, dem droht alsbald schlechte Presse. Anders kann man die Aufregung, insbesondere beim BND Abhörskandal, kaum verstehen. Wie sonst sollen ein paar abgefangene E-Mails einer einzigen Spiegel- Redakteurin einen solchen Sturm der Entrüstung verursacht haben? Zumal E-Mails als Kommunikationsmittel in puncto Sicherheit etwa auf dem Niveau von Postkarten stehen. Man muss immer damit rechnen, dass da mal jemand mitliest.

Natürlich ist die Pressefreiheit ein wichtiges Grundrecht. Wenn sie bedroht ist, dann betrifft dies nicht nur die Presse selbst, sondern auch ihre Leser, Hörer, Zuschauer, kurz: die ganze Gesellschaft. Dennoch zeigt nichts so deutlich wie das Thema "Pressefreiheit", dass Nachrichten eben nicht von uns allen gemacht werden, sondern von einer winzigen Minderheit. Nicht einmal 0,1% der Bevölkerung sind Journalisten, doch sie produzieren 100% der Nachrichten, haben dabei ihre eigene Sicht der Dinge und setzen ihre eigenen Schwerpunkte. So bleiben zum Beispiel die jährlich über vierzigtausend überwachten Telefanschlüsse von Nicht-Journalisten (Quelle: Bundesnetzagentur) in den Medien praktisch unerwähnt. Doch wehe, wenn sich die Behörden dabei einmal an einem Journalisten vergreifen sollten!

Wie groß die Schieflage in der journalistischen Gewichtung zwischen den beiden Grundrechten "Pressefreiheit" und "Fernmeldegeheimnis" ist, kann man auch am Beispiel der Vorratsdatenspeicherung erkennen: Im November 2007 verabschiedet der deutsche Bundestag ein Gesetz, dass bei jedem Telefongespräch und jeder E-Mail aufgezeichnet werden muss, wer wann mit wem kommuniziert hat. Dieses Gesetz verletzt die Freiheitsrechte von Millionen Bundesbürgern und verstößt darum gegen das Grundgesetz; der Deutschen Journalisten-Verband macht sich jedoch vor allem um den Informantenschutz sorgen. Besonders brennend scheint diese Sorge allerdings nicht zu sein, zwar berichten die Medien hin und wieder über das Thema - und zwar durchaus kritisch - der große Skandal bleibt jedoch aus.

Thesen

  • Skandale gibt es nur, wenn Journalisten sich aufregen.
  • Wenn Journalisten abgehört werden, gefährdet das die Pressefreiheit, und das regt Journalisten auf.
  • Der schleichende Wandel zur Überwachungsgesellschaft erzeugt jedoch kaum ein Medienecho.

Links

  • heute-journal vom 24. April 2008: "Fangen wir mit einem Thema an, das wir für einen Skandal halten, und nicht nur, weil wir hier Journalisten sind und damit betroffen."
    Auch einen Bericht zum Thema "Vorratsdatenspeicherung" hatte das heute-journal schon im Programm. Der thematisiert übrigens auch die Auswirkungen des Gesetzes für die Pressefreiheit.
  • heise.de schreibt seit Jahren intensiv gegen den Überwachungsstaat an. So intensiv, dass es manchem Leser so vorkommt, als würden die Mainstream-Medien das Thema totschweigen.
  • Tot schweigen sie es nicht, so zeigen sich zum Beispiel Spiegel, Süddeutsche oder Zeit durchaus kritisch gegenüber der Vorratsdatenspeicherung. In jedem dieser Artikel findet sich irgendwo das Wörtchen "Pressefreiheit".

»Lassen Sie das! Ich bin von der Presse!«

Die Medienwelt skandalisiert den Überwachungsstaat erst, wenn er die Pressefreiheit bedroht.


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